Stadtwälder

Erschienen: 22. Februar 2019

 

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Editorial

Sabine Wolf 

 

Hoch oben aus einem Baumhaus auf den viel genutzten Schotterweg hinunterschauen. Familien flanieren, Jogger mühen sich ein wenig, die Mountainbikemobilen tragen Protektoren und Helme. Weiter hinten: der Walderlebnispfad und der Spielplatz für die noch Kleinen, der Grillplatz für die etwas Grösseren, der Trimm-Dich-Pfad, die Finnenbahn, der Downhilltrail mit Sprüngen.

Die Bedeutung unserer Stadtwälder – genauer der stadtnahen Wälder in kommunalem Besitz – wächst rasant, in mehrfacher Hinsicht. Im Alltag profitieren wir vor allem von den unmittelbaren Ökosystemleistungen: Erholung, Kulturwert und Ästhetik. Angemessenes Waldmanagement und entsprechender Unterhalt hängen damit zusammen; noch weitgehend unbeantwortet ist die Frage, wie wir mit dem tiefgreifenden Wandel unserer Wälder im Rahmen der Klimaanpassung umgehen. Vorhersehbar ist, dass mehr klimaresistente Arten nicht nur in unseren urbanen Räumen stehen, sondern auch in den Stadtwäldern. Interpretieren wir dies als Kultur(mehr)wert oder Verlust? Und wenn es das Bild des Waldes beeinflusst, suchen wir einfach neue Bilder?

Bedeutsamer als die unmittelbaren Leistungen werden voraussichtlich ohnehin die systemischen sein wie Biodiversität, Nahrung, Stoffkreisläufe, Kohlenstoff- und Wasser-Speicherkapazität, Luft- und Wasserreinigung, Klimaregulation. Wir sind von unseren Wäldern abhängig. Vor allem beim Klima – urbanen Hitzeinsel-Effekten, Tropennächten, Hitzesommern und Temperaturrekorden (2018 rangiert unter den Top 3 der heissesten Sommer in der Schweiz seit Beginn der Aufzeichnungen) – machen wir uns noch viel zu wenig Gedanken über das Schutzgut Wald. Das sollten wir tunlichst ändern. Auch vor der Erkenntnis, dass Klima viel lokaler funktioniert als gemeinhin angenommen und Speicherung zusammen mit Verdunstung die Themen der Zukunft sind. «Schwammstadt» ist eines der gängigen Schlagwörter, und auch hierbei spielt der Wald eine kaum überschätzbare Bedeutung, auch als Regulativ gegenüber den aufgeheizten Siedlungskörpern. Anhand der globalen Strahlungsbilanz auf verschiedenen Untergründen lässt sich das gut aufzeigen: Trifft Sonnenstrahlung auf einen Wald, werden rund 40 Prozent der Energie in Verdunstung umgewandelt, rund 13 Prozent als fühlbare Wärme abgestrahlt. Treffen dieselben Strahlen auf ein Bitumendach, ist der energetische Anteil der Verdunstung in Wattstunden bei rund zwei Prozent, rund 34 Prozent fliessen in die fühlbare Wärme. Es ist einfache Physik, die Prozesse laufen ohne unser Zutun ab und wir wären dumm, sie uns nicht zunutze zu machen. Wir brauchen mehr Stadtwälder. Ergänzend auch mehr begrünte Dächer, denn schon hier fällt die Strahlungsbilanz ungleich positiver aus (22 zu 16 Prozent).

Um es kurz zu machen: Das Thema Stadtwald ist hochbrisant, nicht nur politisch, auch energetisch. Und hierauf kamen wir bisher noch kaum zu sprechen.

 

 

Inhaltsverzeichnis

  • Jan Stadelmann, Daia Stutz: Stadtwald – dynamische Gestalt und neue Ästhetik
  • Pierre Fresse, Simon Lefranc, Séraphin Hirtz, Nathalie Mongé:
    Forêts urbaines: identité et nouvelles fonctions
  • Brigitte Nyffenegger, Ruedi Iseli: Waldbild und Erholungsqualität
  • Gwenaëlle Charrier: Den Wald wie einen Garten gestalten
    >> Artikel
  • Raphael Aeberhard, Rebekka Weidmann: Von Uster lernen
  • Zélie Schaller: Und wenn die Stadt ein Wald wäre?
  • Sophie Boichat-Lora: Bauen im Einklang mit der Natur in Casablanca
  • Bianca Baerlocher, Jerylee Wilkes-Allemann, Axel Heinrich, Martin Schlaepfer, Benjamin Guinaudeau, Olivier Robert, Eric Amos: Was ist Urban Forestry?
  • Andreas Bernauer: Stadtwald auf Zeit
  • Martina Voser: Aufforsten im Wohnumfeld
  • Andreas Bernasconi: Unterhalt
  • Robin Winogrond, Lukas Schweingruber: Erholungsraum Butzenbüel
    >> Artikel
  • Chrili Car: Greenbelt Guabuliga