Unterwegs

Erschienen: 24. Mai 2007

Editorial

Bernd Schubert

 

Neunzig Prozent der Schweizer Bevölkerung sind täglich mindestens einmal «unterwegs». Zu Fuss, mit dem Fahrrad, mit dem Auto oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel, zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Vergnügen.

 

Knapp 50 Prozent aller Wegetappen entfallen dabei auf den Fuss- und Fahrradverkehr, beim Einkaufs- und Ausbildungsverkehr sind es sogar über 50 Prozent. Das ist gesund, Platz sparend, verträglich für Mensch und Umwelt, im verkehrs- planerischen Sinne leistungsfähig.

 

Doch wir fahren auch Auto, alle zusammen in der Schweiz täglich 130 Millionen Kilometer, das wären 3250-mal um die Erde. Im Jahr sind das 48 Milliarden Kilometer. Ein Mensch mit 80 Jahren hat in seinem Leben statistisch gesehen knapp zwei Jahre im Auto zugebracht, viele natürlich wesentlich mehr. Trotzdem stehen unsere Autos die meiste Zeit still, durchschnittlich 23 Stunden am Tag, eine Stunde fahren sie. Also – salopp gesagt – könnten wir auch von einem «Stehzeug» sprechen.

 

Für unsere Mobilität brauchen wir Infrastrukturen, die Schweiz investiert hierfür jährlich mehrere Milliarden Franken. Als Landschaftsarchitekten sind wir damit immer wieder gefordert, Gestaltungspotenziale im Zusammenhang mit Verkehrs- anlagen zu erkennen, sie auszuschöpfen und dazu beizutragen, dass das «Unterwegssein» schön, angenehm, angstfrei und attraktiv ist. anthos 2/07 greift Projekte des Fuss-, Schienen- und Strassenverkehrs auf.

 

Der Fussverkehr stellt hohe Qualitätsanforderungen an die Linienführung und Gestaltung, was in einem Grundsatzartikel dargelegt wird. Wichtige Orte sind Umsteigepunkte, wie die Bahnhofsvorplätze, erläutert an den Beispielen Altstetten und Rüschlikon. Mit Überdeckungen von Bahneinschnitten (wie bei Genf) oder «Einhausungen» von Stadtautobahnen (München) können neue öffentliche Freiräume geschaffen werden. (Auch in Zürich- Schwamendingen wird sich – hoffentlich bald – diese Chance bieten.) Wahrnehmungsanalysen der Zugreisenden sollen zu linearen, translokalen Gestaltungen führen (Ruhrgebiet). Die landschaftliche Eingliederung von Strassen ist ebenso ein Thema wie Detailfragen zu Parkierung, Rastplätzen und Lärmschutz.

 

Ein spezielles Thema ist die Renaissance der Stadtbahnen in den europäischen Städten. Am konsequentesten und spektakulärsten geschieht dies wohl in Frankreich, wo mit neuen Tramstrecken gleichzeitig eine Stadtreparatur, die Neugestaltung des gesamten öffentlichen Raumes entlang der Bahntrassen angestrebt wird.

 

Dies ist wohl auch eine Kernaussage dieses Heftes: Die Sanierung oder Neu- schaffung von Verkehrsanlagen ist nicht allein eine verkehrsplanerische Aufgabe, sondern sie eröffnet uns die Chance zu einer integralen landschaftlichen, städte- baulichen und freiraumplanerischen Um- oder Neugestaltung.

 

Inhaltsverzeichnis

  • Räume für Füsse, Kopf und Auge > zum Artikel
  • Geschwindigkeit und Langsamkeit –
    Bahnhofplatz Zürich Altstetten > zum Artikel
  • Leitbild Zentrum Rüschlikon
  • Ein «Grüner Weg» über einer ehemaligen Eisenbahnlinie
  • Die Renaissance des Trams in Frankreich
  • Petuelpark München – Stadtpark über dem Verkehr
  • Wahrnehmung und Gestaltung translokaler Räume
  • Die Autobahn am Nordufer des Neuenburgersees
  • Ein öffentlicher Raum als Balkon über dem Genfersee
  • Runninghami
  • Parkieren
  • Das Bild des Autos