Gesundheit

Erschienen: 19. September 2013

 

> Dieses Heft bestellen

Editorial

Sabine Wolf

 

In marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystemen lösen Auf- und Abschwung einander in schöner Regelmässigkeit ab. Zugrunde liegen Zyklen unterschiedlicher Dauer, die sich gegenseitig überlagern, durchdringen und beeinflussen. Lange Perioden von vierzig bis sechzig Jahren, sogenannte Kondratieffzyklen, bestimmen letztendlich das gesellschaftliche und marktwirtschaftliche Geschehen.

Nun soll es hier nicht um einen Crashkurs in Wirtschafts­theorie gehen, aber auch für Landschaftsarchitekten interessant ist, dass der deutsche Wirtschaftstheoretiker und Zukunftsforscher Leo A. Nefiodow nachweist, dass mit der weltweiten Rezession der Jahre 2001 bis 2003 der letzte Zyklus, der von der Informationstechnik getragen wurde, zu Ende ging. Parallel dazu habe ein neuer Langzyklus, der sechste Kondratieff, begonnen: Er wird vom Bedarf nach Gesundheit im ganzheitlichen Sinne angetrieben und im 21. Jahrhundert Träger einer neuen, langen Phase der Prosperität sein. Die Rechnung ist einfach: Wirtschaftliches Wachstum orientiert sich am schwächsten Glied in der Kette, und das ist längst der anfällige Mensch. Ergo muss in sein Wohlergehen investiert werden. Da schlägt auch die Stunde der Landschaftsarchitektur!

Studien, die die positiven Auswirkungen ansprechender Grün- und Freiräume für Leib und Leben belegen, gibt es zuhauf. Und bereits die frühen Anlagen der Volks- und Kurgärten des 17. Jahrhunderts hatten als «Natursanatorien» insbesondere die kontemplative Erholung und Gesundung der Besucher zur Aufgabe. Anders herum konnte die Neurowissenschaft inzwischen nachweisen – siehe dazu den Beitrag von Professor Meyer-Lindenberg in dieser Ausgabe –, dass sich das Fehlen entsprechender Freiräume tatsächlich negativ auf unsere Gesundheit auswirkt. Grosskonzerne wie Novartis haben den Trend längst erkannt und legen für ihre Mitarbeiter aufwendig gestaltete Grünanlagen an. Was bedeutet es aber für den öffentlichen Raum, wenn künftig immer mehr «Gated Green» mit verschiedenen Arten von Zugangsbeschränkungen im Stile des Novartis Campus in Basel entsteht?

Nicht nur die Kommunen werden gefordert sein, sich über rein marktwirtschaftliche Interessen hinweg für das Wohl aller einzusetzen. Fragen zur Verfügbarkeit und Qualität des öffentlichen Raums, seiner Zugänglichkeiten und Funktionen werden auch vor dem Hintergrund zunehmender Verdichtung in Agglomerationen bei immer leereren Haushaltskassen noch intensiver geführt werden müssen. Jetzt, da es nicht mehr nur um uns, sondern auch um unsere Wirtschaft geht!

 

Inhaltsverzeichnis

  • Andreas Meyer-Lindenberg: Seelische Gesundheit in der Stadt
  • Donald Jacob und Joanna Lawson: Der Park in einer urbanisierten Zukunft
  • Wojciech Czaja: Frühjahr im Lebensherbst
  • Susanne Karn: Therapiegärten in Bad Zurzach und Gibeleich
  • Mathias Knigge: Fit im Alter mit Bewegung
  • Sigrid Hausherr: mit-spielen
  • Anke Jurleit: Klinik-Heilgärten in der Bucht von San Francisco
  • Lucile Pasche: Ein Schlemmergarten am psychiatrischen Krankenhaus
  • Evelyne Schneider-Bénentendi: Erinnerungslandschaften für Senioren >> Artikel
  • Victor Condrau: Erholungsangebote in der Landwirtschaft
  • Christine Kilcher und Pascal Gysin: Tiere als Therapeuten >> Artikel
  • Raimund Rodewald: Kriterien für die gesundheitsfördernde Wirkung von Landschaft