Partizipation

Erschienen: 15. September 2017

 

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Editorial

Sabine Wolf 

 

Es kommt frischer Wind in allerlei Planungsprozesse. Anwohnerinnen und Anwohner, Bürgerinitiativen und Einzelpersonen formulieren ihre Bedürfnisse und Anliegen, Wünsche und Prämissen an die Gestaltung ihrer Lebensumgebung: Die mündige, aufgeklärte Bürger*in fordert ihr Recht zur Mitbestimmung ein. Projekt für Projekt verschmelzen die vermeintlichen Gegensätze von «partizipativer Planung» und einer «Planung von oben» zu einer neuen Planungskultur der Vielfalt.

Das prozesshafte Vorgehen schafft von Anfang an eine gemeinsame Vision und gegenseitige Akzeptanz. Die bedarfs­basierte Projektentwicklung fördert nicht nur an den Ort angepasste, massgeschneiderte und zukunftsfähige Konzepte, sie leistet aufgrund ihrer breiten Abstimmung zugleich auch die Einbettung in einen grösseren gesellschaftlichen und lokalen Kontext. Die Identifikation der lokalen Akteure mit entsprechenden Planungen und ihren Umsetzungen ist höher und damit auch eine gewisse soziale Kontrolle, welche die Langlebigkeit von Projekten steigert und sogar den Unterhalt auf mehrere Schultern verteilen helfen kann.

Je mehr entsprechende Projekte entstehen, desto mehr ­relativierten sich auch die Ängste, entsprechend entwickelte Projekte würden teurer und aufwändiger, aber nicht besser und es bräuchte keine Experten mehr, wo beim «Jekami» (Jede/r-kann-mitmachen) jede noch so gute Idee im Kompromiss zugrunde partizipiert wird. Erfahrungsgemäss ist meist das Gegenteil der Fall: Durch frühe Beteiligung lassen sich langfristig Kosten sparen, und prozesserfahrene ExpertInnen sind gefragter denn je. Verändert indes hat sich das Rollenverständnis des Planers, dem vermehrt auch moderierende und mediatierende Aufgaben zukommen. Die Sozialkompetenz wird wichtiger, ebenso wie ein Verständnis dafür, Bedürfnisse in Gestaltung zu übersetzen und adäquat zu kommunizieren. Diese zumindest intensivierten Aufgabenbereiche müssen auch in der Ausbildung berücksichtigt werden.

Dass partizipative Planung im Alltag angekommen ist, beweisen auch die unterschiedlichen Massstäbe, in denen entsprechende Projekte realisiert werden: Vom wenige Quadratmeter grossen Quartiergarten bis hin zu landesübergreifenden Trassenplanungen finden sich Beispiele, und auch das Feld der Trägerschaften ist breit – ob aus einer lokalen Bürgerinitiative heraus entstanden, von einem Bauträger entwickelt, von einer Kommune vorgesehen oder von einem Landschaftsarchitekturbüro initiiert. Was sie eint, sind die grundsätzlichen Mechanismen wie definierte Rahmenbedingungen und ein hohes Mass an Verbindlichkeit – und ausserdem ein jeweils massgeschneiderter Prozess. Wir haben die Verfasserinnen der Beiträge in dieser Ausgabe gebeten, als eine Art roten Faden eine Skizze des jeweiligen Vorgehens anzufertigen. Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre.

 

 

Inhaltsverzeichnis

  • Margaret Steiner, Christoph Duckart: Kiruna – eine Stadt zieht um
  • Benjamin Froncek, Stefan Stürmer: Psychologische Perspektiven zur Partizipation
  • Uwe Herrmann: Korridor­entwicklung zum Höchstspannungs­netzausbau
  • Olivier Neuhaus, Marie-Claire Pétremand, Odile Porte: Breit angelegte Konsultation in der Stadt Neuenburg>> Artikel
  • bauchplan ).(: Gebündelte Power in Teilhabeprozessen>> Artikel
  • Dania Genini: Methodik/Medien/Tools der Partizipation
  • Lola Meyer, Steffan Robel: Eine neue Freiraumtypologie durch Teilhabe
  • Marie Sagnières, Elise Riedo, Oscar Gential, Igor Andersen: Gemeinsame Gestaltung für das Gemeinwohl
  • Baptiste Hernandez: Co-Konstruktion eines grossen städtebaulichen Projekts
  • Pil Beider Kleinschmidt: Studien über das Leben in der Stadt
  • Moritz Rahmann, Duygu Karsli: Bürgerbeteiligung studieren
  • Sabine Wolf: «Den Lebensraum mitgestalten zu können, bedeutet Lebensqualität und Identifikation»
  • Vesna Tomse: Am Rande der Stadt – die Wunderkammer