Gesamtplanung Umgebung

Erschienen: 13. September 2019

 

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Editorial

Sabine Wolf 

 

Gelegentlich gleichen Auftragslage und Projektakquise einer Gratwanderung zwischen Selbstermächtigung und Zuweisung. Dann ist es wie mit dem Huhn und dem Ei. Was war zuerst da? 

Nach erfolgreichem Projektabschluss und bewiesener Expertise sind alle froh, dass es genau so gelaufen ist, wie es gelaufen ist, und beim nächsten Projekt werden alle die guten Erfahrungen verinnerlicht haben und dasselbe Modell wieder vorschlagen. In diesem Fall: den Landschafts­architekt*innen die Gesamt­planung Umgebung zu überantworten – das heisst neben der Gestaltung (Entwurf, Projektierung, Ausführung) auch Erdbau- und Regenwassermanagement, Werkleitungen, Hausanschlüsse, Baustellenlogistik, den Beizug von ExpertInnen, Vergaben an (Fach)PlanerInnen, zu denen je nach Projekt durchaus auch einmal ArchitektInnen zählen können. 

Es ist eine Freude zu sehen, dass sowohl in der Schweiz wie auch international eine beachtliche und immer grösser werdende Zahl an Büros das Zepter in grossen (und kleinen) Projekten in die Hand nimmt. Warum auch nicht? Und es sind weder nur grosse Büros noch ausschliesslich grosse Projekte, in denen LandschaftsarchitektInnen als Gesamtplaner*Innen auftreten. Ausschlaggebend und zentral ist einmal mehr die Büro-Haltung. Von der Projektakquise bis hin zur sprichwörtlichen Schlüsselübergabe. Was nur möglich ist, wenn ein Büro auch alle Phasen abdecken kann und will – oder Einzelleistungen extern vergibt. 

Und noch eine gute Nachricht: An der Ausbildung für LandschaftsarchitektInnen liegt es für einmal nicht, sie wird von VertreterInnen aus Gesamtplanungs-Pionierbüros als breit, umfassend, ausreichend spezialisiert und hinreichend generalistisch empfunden. Wo neue Themenschwerpunkte auftauchen, die so schnell keinen Eingang in die Lehrpläne erhalten, werden Weiter­bildungen angeboten, von Schulungen zu Moderation, Mediation und Partizipation bis hin zu BauleiterInnen-Kursen.

In Frankreich und den Niederlanden entwickeln LandschaftsarchitektInnen ganze Landstriche und trotzen dem Meer Lebensraum ab. In den USA, wie beispielsweise in San Francisco, erhält der öffentliche Raum (auch dank europäischer Unterstützung) ganz neue und autofreie Qualitäten, in Deutschland entstehen nicht nur Landesgartenschauen im Gesamtplanermodell, und in der Schweiz wurde mit dem «Platinen-Prinzip» jetzt sogar ein entsprechendes Angebot als Trademark gesichert. 

Vorschub in der Diskussion leistet neben technologischen Sprüngen mit BIM die allgemeine Gemütslage, in der Nachhaltigkeit, Biodiversität und Klimaschutz derzeit hoch rangieren. Jetzt muss es einfach noch stärker zum Reflex der Profession werden, immer wenn es um die Frage der Expertise geht, die Hand zu heben. Wir können das. Wir sind dafür ausgebildet. Wir haben das Fachwissen, die Erfahrung und die Ressourcen. Dann stellt sich auch die Huhn-Ei-Frage nicht mehr.

 

Inhaltsverzeichnis

  • Daniel Baur: Hilfloses Paradies
  • Willett Moss: San Francisco Civic Center Public Space Plan
  • Henri Bava, Michel Hössler, Olivier Philippe: Wasser als Vehikel in Metropolregion >> Artikel
  • Rik de Visser: Die Inselgruppe Marker Wadden
  • Pierre-Marie Luciani: Die Charta für Landschaft des Cap Corse
  • Mariusz Hermansdorfer, Gerhard Hauber: BIM für Landschaft
  • Burkhard Wegener: Je grösser, desto komplexer, desto spannender!
  • Jens Bödeker: Koordination in der Wüste
  • Marcel Bächtiger: Rettet den offenen Wettbewerb!
  • Henrike Wehberg-Krafft, Hans-Hermann Krafft: Einfluss durch Verantwortung
  • Florian Glowatz-Frei: Vom Umgebungsprojekt zur Platine >> Artikel