Erlebniswelten - Inszenierungen

Erschienen: 23. November 2006

4/2006: Erlebniswelten – Inszenierungen

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Editorial

Bernd Schubert

 

«Weitgehend ohne Protest und ohne dass die Öffentlichkeit auch nur Notiz davon genommen hätte, haben sich Politik, Religion, Nachrichten, Sport, Erziehungswesen und Wirtschaft in kongeniale Anhängsel des Showbusiness verwandelt», schreibt Neil Postman in seinem kulturkritischen Buch «Wir amüsieren uns zu Tode» schon in den späten Jahren des 20. Jahrhunderts. Das Leben ist «eine endlose Reihe von Unterhaltungsveranstaltungen, ein gigantischer Amüsierbetrieb». Die Suche nach Zerstreuung, Abwechslung, Sinneslust, Selbstverwirklichung und Individualität ist zum zeitgeistigen Imperativ geworden.

 

Und wie, so fragt man sich, bewegt sich die Landschaftsarchitektur, die ja seit jeher mit den Mitteln der Illusion und Inszenierung schafft, heute in diesem Mainstream?

 

Wenn in einem Vergnügungspark die Weltmeisterschaften im Hot-Dog-Essen veranstaltet werden, bei denen der Sieger (Takeru Kobayashi) vor 25 000 begeisterten Zuschauern in 12 Minuten 54 Hot-Dogs verschlingt (so am 4. Juli 2006 in Coney Island), ist das sicher nicht die Schuld der Landschaftsarchitektur. – Was aber trägt sie bei zum «Erlebnis-Setting»?

 

180 Millionen Europäer besuchen jährlich die Scheinwelten der Freizeit- und Erlebnisparks. Auch Einkaufszentren überbieten sich seit langem, der Lust am Kaufen etwas nachzuhelfen. So entsteht im Rontal zwischen Zug und Luzern mit «Ebisquare» ein «Urban Entertainment Center», wo man in «destillierten Landschaften» auch auf Berge klettern und in Grotten tauchen kann.

 

Neben diesen real künstlichen gibt es noch die virtuellen, von den Entwicklern der Computerspiele kreierten Landschaften, denn auch Spiele kommen ohne «Landschaft» selten aus. Werden hier vielleicht ganz neue Wahrnehmungen geschaffen und damit auch neue Realitäten? Unterhöhlen diese gar unsere Gestaltungsspielräume und beschleunigen die Entwicklung zu einer globalisierten Landschaft?

 

Auch Tourismusregionen kreieren zunehmend Angebote, die das Erlebnis der – echten – Landschaft steigern sollen. Was aber weckt beim Gast die Lust auf die reale Landschaft? Und wie lässt sich diese sinnvoll «inszenieren», ohne dass man den Respekt vor ihr verliert, sie gar zerstört?

 

Ein neuer – gesetzlich verankerter – Parktyp trägt das Erleben schon in seinem Namen, der «Naturerlebnispark». Die neue Biber- und Fischotteranlage im Sihltal, als Teil eines zukünftigen Naturerlebnisparks, gewährt den Besuchern überraschende Einblicke in das Leben dieser Tiere. Auch die Zoologischen Gärten gehen neue Wege, um das Erleben der Tiere in einer ihrem natürlichen Lebensraum möglichst angepassten und tiergerechten Umgebung zu gewährleisten, wie im gerade eröffneten Löwengehege des Zürcher Zoos.

 

Und es gibt sie schliesslich auch noch, die (inszenierten) «Inseln der Seeligen», die «verwunschenen Paradiese», wo sich Kunst zum Anfassen mit idyllischer Landschaft vereint, wie in Hombroich – und auch die kleinen innovativen Massnahmen mit grosser Wirkung, wie im historischen Park Mon Repos in Lausanne, die neue soziale und kulturelle Aktivitäten zur Folge haben und dem Park ein neues Leben schenken.

 

Inhaltsverzeichnis

  • Freizeit- und Erlebnisparks
  • Erlebnisangebote im naturnahen Tourismus
  • Wirklich künstlich! Landschaften im Computerspiel
  • Indien in Zürich - das neue Löwengehege
  • Botschafter des Flusses - die neue Biber- und Fischotteranlage
  • Hombroich - Insel der Seeligen
  • Destillierte Landschaften in der Shopping-Mall
  • Wahrnehmung verändert die Landschaft
  • Die Organisation der Leere - ein Workshop am San Gottardo
  • Die Folie Voltaire - ein Teesalon im Grünen
  • Inszenierung weiterdenken