Landschaftsqualität

Erschienen: 26. November 2010

Editorial

Stefan Kunz, Sabine Wolf

 

Natürlich, jeder Mensch empfindet einen Ort auf seine Weise. Wahrnehmung ist immer individuell, nie objektiv. Trotzdem scheint es eine Art von Grundübereinstimmung zu geben, welche Orte eine höhere und welche eine geringere Qualität aufweisen.

 

So wird der rasante Flächenverbrauch, der nach wie vor auch die Siedlungsflächenentwicklung der Schweiz kennzeichnet, als problematisch eingeschätzt. Diese schnellen Veränderungen erzeugen Unbehagen, da und dort gar Ratlosigkeit. Und wo die Landschaft zur Ware wird, und nur noch der Tourismus mit «heile Welt»-Bildern lockt, herrscht ein eklatanter Widerspruch zwischen Anspruch und Realität, der sich wohl in keinem anderen europäischen Land so schnell zuspitzt wie in der Schweiz.

 

Vor diesem Hintergrund taucht die berechtigte Forderung nach mehr Landschafts-Qualitäts-Planung auf. Eine kleine Gemeinde in der Agglomeration von Thun macht es vor: Potenzielle Baugebiete sollen nicht mehr eingezont, sondern nur auf Stufe von Nutzungskonzept und Richtplan definiert und mit einem Anforderungsprofil belegt werden. Bauwillige haben aufzuzeigen, wie sie die Anforderungen umzusetzen gedenken, welcher Mehrwert für das Dorf entsteht und wie sie die Anlage in die Landschaft integrieren wollen. Ein solches Vorgehen zur qualitativen Entwicklung erfordert eine umfassende Analyse des Ortes, es erfordert das Denken über sektorale, hierarchische und administrative Grenzen hinweg. Dazu gehören könnten auch das Erforschen des Unsichtbaren, das Beschreiben akustischer Verhältnisse. Durch sorgfältige Analysearbeit nähern wir uns dem Wesen des Ortes, der über Jahrhunderte gewachsenen Kultur. Dieser Verständnisprozess ist gleichzeitig Entwicklungsprozess und leitet uns schlussendlich zu einer gemeinsamen Vorstellung, auf welche Art und Weise sich ein Ort verändern soll. Dort, wo diesen Prozessen Raum und Zeit eingeräumt werden, können wir Orte und Landschaften schaffen oder pflegen die Neugierde wecken, die alle Sinne ansprechen, die Schutz und Geborgenheit bieten. Qualität muss jedoch immer neu gesucht und eingefordert werden.

 

anthos möchte ermuntern, über die Qualität von Freiräumen und Landschaften nachzudenken und zu diskutieren – und gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort Ziele zu entwickeln. Mal philosophisch, mal wissenschaftlich, mal konkret nähert sich diese Ausgabe dem Thema an, und schnell wird klar, dass die Qualität einer Landschaft weit mehr als die Summe ihrer quantifizierbaren Elemente ist.

 

Inhaltsverzeichnis

  • Der Klang der Landschaft > zum Artikel
  • Landschaftsqualität im Richtplan verankern! > zum Artikel
  • Direktzahlungen für Landschaftsqualität
  • Die Macht des Lärms
  • Schwarz – rot – blau
  • Landschaftsqualität und Raumplanung
  • Lauberhornrennen im Sommer
  • Die Wa(h)re Landschaft
  • Menschensicht
  • Quo vadis?
  • Vorher/nachher am Ägerisee
  • Modell für eine nachhaltige Landschaftsentwicklung: Stiftung Pro Terra Engiadina
  • Freiraumkonzept Birsstadt
  • Luxus der Weite als Raumprogramm