Hochwasserschutz

Erschienen: 24. November 2017

 

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Editorial

Sabine Wolf 

 

 Manchmal muss Staunen erlaubt sein, auch wenn es vor allem auf Unwissen basiert: Wie die Regentropfen entlang der Wasserscheiden ihren Weg in die Flüsse finden. Wie ein Fliessgewässer Hunderte von Kilometern zurücklegt, um in ein Meer oder in einen See zu münden. Wie Seen und Flüsse ihre Farben wechseln, als hätten sie Charaktere und Stimmungen. Wie Gewässer ober- und auch unterirdisch Kantons- und Landesgrenzen überwinden, unabhängig von der jeweiligen Gesetzgebung.

Und darob, dass es jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertelang dem Fortschritts- und Technikglauben geschuldet blieb, jeden freien Flecken entlang der immer eingeschnürter laufenden Fliessgewässer zu überbauen, das Land zu domestizieren und die Gewässer einzudolen. Und – langsam – die Erkenntnis Allgemeingut wird, dass es anders womöglich einfacher, günstiger, langfristiger und nachhaltiger gegangen wäre und es bei den Flüssen so ist, wie bei den Regentropfen: Das hat mit Physik zu tun, nicht mit Hexerei.

Anfang Oktober wurde der Nobelpreis in Physik an drei US-amerikanische Forscher für die Entdeckung der Gravitationswellen vergeben. Damit sind wir in der Lage, Milliarden von Jahren zurück in die Vergangenheit des Universums zu reisen. Während im Hochwasserschutz mancherorts noch immer erst dann in plumpe Abwehranlagen investiert wird, wenn das Wasser wieder im Anmarsch ist, als wäre es nicht voraussehbar gewesen.

Seit ein paar Jahren, immerhin, ist ein Paradigmenwechsel in Sicht; vom technischen zum integralen Hochwasserschutz. In dessen Zuge entstehen sie doch, die herausragenden grossmassstäblichen und kleineren alltäglichen Projekte. Infrastrukturanlagen, die sich in die Landschaft einbetten und sie neben ihrem technischen Nutzen mit Identität bereichern. Binationale Projekte, die neben Schutz- auch Erholungsziele verfolgen. Forschungen und Simulationsmodelle an Hochschulen, die mit hoher Präzision Vorhersagen treffen und so auch Menschenleben retten können. Pionierprojekte, die sich geschickt die Erfordernisse und Vorgaben des seit 2011 novellierten Schweizer Gewässerschutzgesetzes zunutze machen – bei dem Experten nach gut sechs Jahren verschiedene verbesserungswürdige Punkte konstatieren – und das Erforderliche mit neuen Möglichkeiten der Finanzierung verknüpfen. Und Projekte, die statt auf künstliche Verbauten auf natürliche Hangsicherung und Massnahmen setzen, die auch ökologisch wirksam sind und teilweise zudem im Rahmen von Umweltbildungs­angeboten gemeinschaftlich realisiert werden können.

Das Staunen ist trotzdem noch nicht ganz gewichen.

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

  • Thomas Weibel: Aqua Viva fordert sinnvollen und ökologischen Hochwasserschutz
  • Élise Riedo, Marie Sagnières: Hochwasser als Chance für die Landschaft
    >> Artikel
  • André Seippel, Silvio Moser, Jörn Heilig: Hochwasserrückhaltebecken Wohlen >> Artikel
  • Rosmarie Zimmermann, Roger Dürrenmatt: Mehr Raum für die Emme
  • Laura Hofmann, Thomas Oesch: Gewässerentwicklung mit Ingenieurbiologie
  • Peter Theiler, Cornelia Bauer: Arbeitshilfe für die Gewässerraumfestlegung
  • Martin Rein-Cano: Bremen zeigt Kante
  • Dania Genini: Mehrwert für Bern
  • Jan Stadelmann: Hochwasserschutz gratis dazu
  • Markus Beitl, Andrea Cejka: Rhesi: Rhein – Erholung – Sicherheit
  • Groupement Superpositions: Der fliessende Garten
  • Florian Hinkelammert-Zens, Isabel Röber, Volker Weitbrecht: Hydraulische Modellversuche
  • Silke Schmeing: Geburtsstunde einer Insel