Landwirtschaft & Nahrung

Erschienen: 23. November 2018

 

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Editorial

Sabine Wolf 

 

Immer mehr unserer Gebäude sind nach den Standards der 2000-Watt-Gesellschaft errichtet. Das heisst, sie sind in den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (ökologisch, ökonomisch und sozial) optimiert und bieten alles, was es braucht, um mit den geforderten 2000 Watt pro Person und Jahr zu leben. Die detaillierten Rechnungen sind im Internet zu finden, zentral ist: 2011 hatten wir einen globalen – die Verbräuche unterscheiden sich in den Weltregionen erheblich! – durchschnittlichen Energiebedarf von rund 2500 Watt; in der Schweiz liegt der Wert aktuell bei 5000 Watt.

Wenn Gebäude und ganze Areale 2000-Watt-kompatibel sind, bedeutet das auch, dass sie die Verantwortung dafür, ob wir die Zielwerte erreichen, an uns zurückgeben: Entscheidend ist dann unser Konsumverhalten. Neben unserer Mobilität – ob bei der Empfehlung zu Elektrofahrzeugen die graue Energie im Gesamtlebenszyklus betrachtet wird, ist nicht immer ganz klar – ist vor allem unsere Ernährung massgeblich.

Einige der hier grundlegenden Entscheide kann jede/r Einzelne jederzeit treffen, zum Beispiel, ob wir weiterhin Fleisch essen. Ein Kilo Schweinefleisch verursacht gleich viel CO2 wie 80 Kilo Kartoffeln; für die Produktion eines Kilos Rindfleisch wird 15,4 Kilo CO2 emittiert, bei Linsen 0,7. Werden hier Äpfel mit Birnen verglichen, um plakative Zahlen zu haben? Nein, gerechnet wird mit CO2-Äquivalenten; der Wert von verschiedenen Treibhausgasen wird auf CO2 umgerechnet, und hierin stecken auch die Werte der investierten Primärenergie. 

Bei einer ganzen Reihe weiterer zentraler Fragen aber sind die Antworten und Entscheidungen nicht so einfach. Wie viel Einfluss haben wir tatsächlich darauf, was auf unseren Tellern landet? Wie viel wissen wir darüber, wo es produziert wurde und zu welchen Bedingungen? Wie können wir eine ernährungssegregierte Gesellschaft verhindern, in der sich nur Wohlsituierte «gute» Nahrungsmittel kaufen können?

Einigen der aufgeworfenen Fragen sind wir in der Ausgabe nachgegangen. Es geht um den Zustand unserer Böden, neue – oder besser gesagt wiederentdeckte – Anbaukonzepte, solidarische Landwirtschaft, systemische Fragen zur Zukunft von Landwirtschaft, Gesellschaft und Marktwirtschaft, internationale Beispiele und die Rolle der Landschaftsarchitektur in Agrar- und Kulturlandschaften.

Um es kurz zu machen: Es gibt viel zu tun, und wir können es erneut nur gemeinsam angehen. Für den Beginn wunderbar wäre, wenn sich jede/r bis Ende des Jahres Gedanken über den persönlichen Ressourcenverbrauch machen würde. Wie viel Fläche konsumiere ich für Wohnen und Arbeiten, wie sieht meine Mobilität aus, wie meine Ernährung?

 

 

Inhaltsverzeichnis

  • Köbi Gantenbein: Wein macht Landschaft und Architektur
  • Émilie Gruit: Eine resiliente Agrarlandschaft formen
  • Clémence Bardaine, Roland Vidal: Der Geschmack von Agrarlandschaften
  • Interdepartementale Arbeitsgruppe Fruchtfolgeflächen: Fruchtfolgeflächen nachhaltig sichern
  • Tina Siegenthaler: Solidarische Landwirtschaft Solawi
  • Augustin Tempier: Terre de Mars, Marseille
  • Tex Tschurtschentaler: Gemeinsam produzieren und konsumieren
  • Renate von Davier: Les Jardins de Cocagne, Genf
  • Mathilde Rue: Agroforstwirtschaftliche Projekte im Entstehen
  • Sarah Symanczik, Martina Lori: Boden als Grundlage unserer Ernährung
  • Dania Genini: Grosse Vielfalt auf kleiner Fläche
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  • Christian de Carné Carnavalet, Joris Masafont, Jean-Pierre Clarac: Agrovoltaik als stadtplanerisches Instrument zur Rückgewinnung von Agrarlandschaften Marco Kaufmann, André Stapfer, Ulysses Witzig: Mehrwert in der Mülimatt
    >> Artikel
  • Roman Häne: Wir sind parat!
  • Moana Werschler: Vision zur Stärkung der Seeländer Gemüseproduktion
  • Mareike Jäger: Bäume erobern den Acker zurück
  • Sabine Wolf: Kontrovers diskutiert: «Smart Farming»